Handels Nutz ist Klimas Schutz

Hochglanzanzeige mit zutiefst diffusem Inhalt

Sie sind Einzelhändler, möchten Ihre Energiekosten senken und nebenbei Ihren ökologischen Fußabdruck verbessern? Dann sind Sie bei der Klimaschutzoffensive genau richtig!

 

Mit diesem Lockangebot soll Händlern die Karotte tiefergehängt werden, Teil einer Bewegung zu werden, die sich nicht ganz ohne Ernst „Die Klimaschutzoffensive des Handels“ nennt. Wem die Karotte beim ersten Anbeißen noch zu gemüsig ist, dessen Appetenz mag vielleicht durch die nur einen Satz später nachgereichte Wurst stimuliert werden: „Es gibt viel zu sparen, legen wir los!“ Okay, denkt sich der merkantile Marktleiter, der Corona-gebeutelt eigentlich mehr um seine Existenz besorgt war denn um die Rettung des Weltklimas: Ich kann also meine Energiekosten senken und auf dem Wege weniger Geld ausgeben – und auf der anderen Seite das Kundenherz im Rahmen einer Wohlfühlaktion einnehmen: Her damit!

 

Die zugrunde liegende Sinnhaftig- und Währschaftigkeit dieses edelmütigen Anliegens tritt auf der genannten Seite allerdings unverhofft unverhohlen zutage. Was einen sich expedit meinenden Inspizienten der Webseite zunächst frappiert, der trotz leiser Zweifel den Glauben daran nicht verlieren mag, dass es auch dem Einzelhandel Ernst ist in Sachen selbstlosem Klimaschutz. Jedoch wird beim Überdenken rasch klar, an wen sich der Inhalt der Seite richtet. Es geht um eine Webseite von Händlern für Händler. Der Inhalt ist Handel, die Methoden sind Handels-gemäß mit dem Ziel, den Handel zu stärken. Gut. Wo war nochmal das Klima?

 

„Die Klimaschutzinitiative des Handels – wir helfen dem Handel, Betriebskosten zu sparen und das Klima zu schützen!“, slided das Motto prominent als Headergrafik im Kopf der Seite. Und gefettet heißt es einige Zeilen tiefer im Eingangstext: „Für das eigene Geschäft und für das Klima!“ Mal von der Tatsache abgesehen, dass diese Marketingfritzen mit ihrer Verkäuferseele offenbar keinen Satz schreiben können, ohne jede! Aussage! zwanghaft! mit! einem! Ausrufezeichen! zu! beenden!, ist eigentlich schon am Beginn der Seite klar, wo diese Offensive enden wird: Nämlich primär in den Taschen des Handels. Zunächst wird des eigenen Geschäfts gedacht, dann erst folgt das Klima. Wie schön, dass diese Klimaschutzoffensive, die seit 2017 läuft, vom ersten PR-Quak an begriffen hat, wo auf Erden die Prioritäten liegen, wenn es um eine lebenswerte Zukunft aller Menschen und den Erhalt von Umwelt und Natur geht. Ganz nach dem Motto „Handels Nutz ist Klimas Schutz“. Oder sprachlich anders gewandet: Was den Konsum fördert und den Einzelhandel stärkt, hilft am Ende auch der Umwelt. Is klar.

 

Man muss es in aller Deutlichkeit immer wieder sagen: So schwer die Viruspandemie dem einzelnen Einzelhändler in seiner wirtschaftlichen Existenz auch zugesetzt haben mag, so darf dieser Schade nicht darüber hinwegtäuschen, dass die marketingtechnische Klimaschutzsimulation in vorderster Linie das Ziel verfolgt, die Konsumgüterindustrie „as is“ durch fortgesetzten Input von "meinem sauer verdienten Geld" und Output von Waren am Kacken zu halten. Es geht NICHT ums Klima, sondern es geht AUCH ums Klima. Und das ist nicht nur ein feiner Unterschied, sondern es liegen Welten dazwischen. Manche mögen die Ziele der Offensive hehr finden. Andere sehen da klarer. Denn mit jeder in Zukunft ins Haus stehenden Verschiebung oder Verwässerung der Prioritäten, sei es wie aktuell durch eine Pandemie, durch wirtschaftliche Unbilden, persönliches Unvermögen des Firmeninhabers oder einfach nur aufgrund eines gesellschaftlich nachlassenden Interesses an dem Thema, wird Umweltschutz und Klimarettung zur bloßen Glosse in jedem Geschäftsbericht.

 

Und wer jetzt anfügen mag, dass ohne Wirtschaft und Waren alles nix sei, dass es weder Zivilisation noch Kultur noch einen hohen Lebensstandard gäbe und dass darum die Wirtschaft „natürlich“ wichtiger sei als alles andere, dem möge zu bedenken gegeben werden, dass ohne ein stabiles Klima, eine artenreiche Natur und eine gesunde Umwelt alles, aber auch wirklich ALLES, inklusive Wirtschaft und Waren, Zivilisation und Kultur NIX ist. Das ist der schwerwiegende, nicht der feine Unterschied, den der Satz „Für das eigene Geschäft und für das Klima!“ uns mit auf den Weg gibt. Wer nicht bereit ist, ob als Einzelhändler oder als einzelner Verbraucher, von der Idee des Massenkonsums, der Wegwerfmentalität und des „Alles zu jederzeit“ Abstand zu nehmen, ist am Ende für das Ergebnis mitverantwortlich. Wer das kapiert hat, und mit dem nötigen Ernst und notwendigen Eifer zur Erreichung seiner privaten oder unternehmerischen Umweltziele beiträgt, der ist „bei der Klimaschutzoffensive genau richtig!“.

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