Highlight? Mein Beileid.

Halbes Schwein zum Vorbestellen beim Discounter

Beim Thema „Tierschutz“ kommt mir stellvertretend für all unser armes Nutzvieh das kalte Grausen. Den Verantwortlichen der „Initiative Tierwohl“ scheint kaum klar zu sein, dass sie aus einer rein ökonomischen, vor allem aber anthropozentrischen Perspektive auf das Wohl und Wehe unserer Mitgeschöpfe schauen. Verständlicherweise, welches arme Schwein oder dumme Schaf sollte sich auch über die Tatsache freuen – oder beklagen –, dass zwischen Tierwohl und Tierweh nur 0.75 m² liegen. Während der gesetzliche Mindeststandard gerade einmal einen dreiviertel Quadratmeter Fläche pro Schwein in der Massentierhaltung vorsieht, darf sich das Borstenvieh in der 3. und höchsten Tierwohlstufe über – TATAAA!!! – 1,5 m² Fläche freuen, ganze 0,5 m² davon sind als Auslauf vorgesehen. Nochmal zum Mitdenken: Wir reden hier über SCHWEINE, nicht über Goldhamster. 1,5 Quadratmeter Fläche zum Leben? Herzlich Willkommen bei der Initiative Tierwohl.

 

Kein anderes Programm ist derzeit so wirksam, praxistauglich und marktfähig. Es geht uns darum, die Landwirte dort abzuholen, wo sie stehen. Denn nur wenn viele mitmachen, können auch viele Tiere profitieren“, schreibt Dr. Alexander Hinrichs, Geschäftsführer der Gesellschaft zur Förderung des Tierwohls in der Nutztierhaltung mbH, auf der Webseite der Initative. Ok, kurz sacken lassen, einmal tief Luft holen … Wir leben laut Leibniz in der besten aller möglichen Welten. Wer ist „wir“? Eine Welt, in der die menschliche Gattung, die nur eine von Millionen vorkommenden Arten stellt, für sich das Recht herausnimmt, im Namen aller Lebewesen zu sprechen, zu handeln und gegebenenfalls auch zu richten, nennt Leibniz also die beste aller möglichen Welten. Auch unsere Geistesgrößen dürfen irren. Tatsache ist und bleibt, dass von allen Lebewesen der Mensch allein bestimmt, unter welchen Umständen wir alle auf diesem Globus zu existieren vermögen, ob ein Leben voller Widernisse oder voll von Wundervollem. Die Initiative Tierwohl, wenngleich ich die gedankliche Stoßrichtung nachvollziehen kann, spricht einzig für den Menschen. Um Tierwohl geht es nur am Rande.

 

Unser Blick auf das Tier, das wir Nutzvieh nennen, gibt unverhohlen unsere noch immer tief in uns sitzende Primitivität preis, mit der wir Karnivoren auf unsere Opfer schauen. Ist es einer konzeptionellen Entgleisung geschuldet, auf derselben Werbeseite, auf der die oben genannte Initiative „Unser Engagement für Tierwohl“ huldigt, ein „Tier“ zu einem zerbratenen Faserbrei herabzuwürdigen, um es als Pulled Beef oder Pork dem nimmersatten Endverbraucher anzudienen? Wie können die Macher dieser Werbeschmonzette die unbeschreibliche Frechheit, Frivolität und Geschmacklosigkeit besitzen, TierWOHL und primitivste Verfressenheit bildlich und argumentativ ineins zu setzen! Und nicht nur das: Den salbadernden Tierschützern dieser Initiative ist keine abgegriffene Phrase zu fettig, um sie uns Verbrauchern nicht doch noch in die essensverschmierten Visagen zu reiben: „Das Wohl der Tiere liegt uns am Herzen. Daher verfolgen wir verschiedene Ansätze, die ein Mehr an Tierwohl für unsere gesamte Lieferkette ermöglichen sollen“, ereifert sich Aldi Süd in einem seiner Handzettel. Netto spricht gar von einem „Highlight der Woche“, wenn es ein halbes Schwein (wir reden hier ungelogen von Bauch und Kotelett mit Knochen = ca. 14 kg, Schinken mit Pfote = ca. 14 kg, Nacken mit Schulter und Pfote = ca. 13 kg) zur Vorbestellung an unbedarfte Endverbraucher verhökert. Zugegebenermaßen handelt es sich dabei mit Sicherheit nicht um Schweine aus der Premium-Haltungsform. Aber das wird allen Beteiligten sowieso egal sein: uns unbelehrbaren Weltvernichtern in erster Linie, und dem toten Tier am Ende sowieso.

 

Um 1 kg Rindfleisch zu „produzieren“, werden zwischen 4 und 9 kg Getreide, 15.000 l Wasser und eine Nutz- und Weidefläche zwischen 25 und 50 m² benötigt. Für dasselbe Kilogramm Fleisch werden infolge von Flächengewinnungen und Anbau von Futtermitteln zudem 22 Kg C02 in die Atmosphäre freigesetzt. Die Menge, die eine Kuh im Jahr an klimaschädlichem Methan ausrülpst, hat umgerechnet die gleiche Wirkung, wie die C02-Emissionen eines Mittelklassewagens bei einer Jahresleistung von 18.000 Kilometern verursachen. Unser wachsender Hunger nach Fleisch wird diese Zahlen weiter und weiter in die Höhe treiben und somit noch stärkere Auswirkungen auf das Weltklima haben. Aber nicht nur das Weltklima kriegt sein Fett weg, auch mit unserer eigenen Gesundheit spielen wir Menschen Roulette. Schon länger werden Zusammenhänge zwischen einem hohen Fleischkonsum und chronischen Krankheiten vermutet. Die Internationale Agentur für Krebsforschung IARC (International Agency for Research on Cancer), eine Einrichtung der Weltgesundheitsorganisation WHO, sprach 2015 gar Folgendes aus:

 

The IARC Working Group considered more than 800 studies that investigated associations of more than a dozen types of cancer with the consumption of red meat or processed meat in many countries and populations with diverse diets.

Quelle: International Agency for Research on Cancer, Press Release N° 240 (PDF)


 

Zu deutsch: Hunderte Studien über den Zusammenhang von Fleischverzehr und krebsauslösenden Faktoren kommen zum Ergebnis, dass ein Dutzend verschiedener Krebsarten in Verbindung gebracht werden mit dem Verzehr von rotem (Rind, Schwein, Schaf, Ziege) oder verarbeitetem (gepökeltem, mariniertem, gebratenem, geräuchertem) Fleisch. Wer sich an die Empfehlungen des World Cancer Research Fund und dem American Institute for Cancer Research in Sachen Fleischkonsum halten möchte, sei anempfohlen, pro Woche nicht mehr als 300 g Fleisch zu konsumieren. Die ganz Harten, die von Fleisch nicht die Finger lassen wollen, dürfen auch gern maximal 500 g Fleisch pro Woche zu sich nehmen. Aufaddiert würde das pro Jahr einen Pro-Kopf-Verbrauch von max. 24 kg bedeuten. Eine Menge Tierleben muss dafür geopfert werden. Aber immer noch DEUTLICH BESSER als der aktuelle deutsche Pro-Kopf-Konsum – der liegt nämlich mit knapp 79 kg drei Mal so hoch.

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