Leere lauert hinter dem Geld

Wessen zweifelhaftes Vergnügen es einmal gewesen sein mag, das unhandlich große und wenig informative Supplement der Ausgabe der Welt am Sonntag – genannt ICON – in der Hand zu halten, dessen erster sich schon ab Umschlag erschließende Eindruck der lässigen Leere wird wenig Gefahr laufen, sich nachhaltig ins visuelle Gedächtnis einzuprägen. Zu angepasst und abgewetzt, zu beliebig und bieder ist die Understatement heischende Bildsprache dieses teuren und teuersten Lifestyle prangenden Magazins. In coronöser Isolation ragen, recken oder rekeln sich Mannequins übergroß der mutmaßlichen Leserin entgegen. Einsame Frauen, deren monotone Mimik mit der Leere der Landschaft oder der Ruhe des Raumes um sie herum korrespondiert.

 

Es ist interessant, dass von den Geld, Gold und Gut inszenierenden Modellen derselbe schweigsame, coole, geradezu kalte Glamour ausgeht, der auch den zur Schau gestellten Luxusobjekten – seien es Autos oder Accessoires, Brillen oder Brillanten, Taschen oder Treter – innewohnt. Maskenhafte Modepüppchen starren aussagefrei in Kameraobjektive oder geziert am Blick ihrer Leserinnen vorbei. Ihre geheuchelten Empfindungen, so es manche zu einem Lächeln oder lasziven Blick geruht, gelten keinem menschlichen Gegenüber, sondern dem Bildsensor einer Spiegelreflex, weil dort der digitale Workflow einer milliardenschweren Luxusgüterindustrie beginnt, deren imaginierte Wohlstandswelten über Foto- und Designstudios, Entscheiderbüros und Vorstandsetagen via Werbe- und PR-Agenturen medienreif zurechtgeschliffen in die Köpfe der klunkertragenden Konsumentenschaft müssen.

 

Alles an diesem Magazin ist einfach paramount: die ultrabolde Dickte der Wortbildmarke, das Halbrheinische, halb großkotzige Magazinformat, die manchmal ganz-, manchmal doppelseitigen menschenleeren oder nahezu ent-menschten Anzeigen, die unanständig aufgeblasene Verve, mit der Geschichtchen von erarbeitetem Reichtum fadenscheinig in dürre Homestorys von Modeimperien-Erben, Selfmade-Millionären oder Prollprominenzen verwoben werden. Ich hätte Verständnis und wäre sogar des interessierten Durchblätterns geneigt, wenn sämtliche Karl-May-Romane, die ähnlich phantasievoll geistig dürre, dafür umso wortreicher verpackte exotische Erlebnisse rund um Gier, Gold und gertenschlanke Girls, Halbrheinisch aufgepumpt und Hochglanz illustriert neu publiziert würden. Doch die artverwandte Glitzerwelt jetsettender Degenerationen von Möchtegern-Millis und -Billis „journalistisch“ derart anbiedernd in Magazinform zu konterfeien, ist nicht einfach nur peinlich, sondern in ihrer zur Schau gestellten materiellen Sattheit geradezu pornös.

 

Choppard-Armreif aus ethisch korrektem Roségold gefertigt

  5.470 Euro
Hydo Conquest Armbanduhr mit einem Keramikziffernblatt von Longines   1.350 Euro
Sandale mit Erdbeeren von Aquazurra      795 Euro
Armreifen Collier de chien von Hermès      995 Euro
Blaue Alex Chaiselongue von Alessandro Mendini 20.880 Euro
Tasche Balloon von Loewe

  2.000 Euro

 

Durchschnittliches Jahreseinkommen in Bangladesch: 1.482 Euro. Gesetzlicher Mindestlohn in Myanmar (wo H&M, New Look, Lonsdale, Sports Direct, New Look und Muji produzieren lassen): etwa 2,50 Euro für einen achtstündigen Arbeitstag. 67,5 Euro kostet eine Kiste voller Lebensmittel des United Nations World Food Programme, die eine Familie einen Monat lang ernährt.

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