
In pandemischen Zeiten feiert die weitreichende Aufhebung beziehungsweise Einschränkung von Bürgerrechten fröhlich Urständ, Jahrzehnte nach der Einführung von sogenannten, aber nicht wirklich so geheißenen „Notstandsgesetzen“, mit denen – vorübergehend – Grundrechte wie zum Beispiel die Versammlungsfreiheit außer Kraft gesetzt werden durften. Die Einschränkung von Bürgerrechten im Zusammenhang mit der Corona-Krise äußert sich in bundesweit eingeführten, aber unterschiedlich stark ausgeprägten Zwangs-maßnahmen. Die Maskenpflicht, also das Tragen einer Hygienemaske, die Mund und Nase bedecken und vor einer Ansteckung mit dem Corona-Virus schützen soll, ist eine solche Maßnahme. Mehr und mehr Landesregierungen dekretierten ihren Landeskindern das Tragen von
Mund-Nasen-Schutz-Masken. Um bundeseinheitlichliche Regeln zu gewährleisten, um allen Bürgern gleichermaßen das Gefühl zu geben, gleich schlecht behandelt zu werden, wird ab Montag den 27. April die Maskenpflicht nun in ganz Deutschland eingeführt. Zuwiderhandeln soll (kann) mit Bußgeldern geahndet werden. Begründet wird die Einführung dieser Zwangsmaßnahme beispielsweise im Freistaat Sachsen folgendermaßen:
„Im ÖPNV ist eine Vielzahl von Menschen auf engem Raum zusammen, der Mindest-abstand von 1,5 Metern kann nicht immer eingehalten werden. Da es sich bei Covid-19 um eine hauptsächlich durch Tröpfcheninfektionen übertragene Atemwegserkrankung handelt, wird deshalb zum Fremdschutz das Tragen einer textilen Barriere für die Fahrgäste im Sinne eines Mund-Nasen-Schutzes vorgeschrieben.“
Quelle: Volksstimme Sachsen
Jedweder Verstoß gegen die in dieser Begründung beschriebenen Art und Weise des Maskeneinsatzes ruft den Rechtsstaat auf den Plan, Polizei und Ordnungskräfte sind befugt, Verstöße zu ahnden.
Das Gerede und Gezetere um die Maskenpflicht entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Ohne sich allzu weit vom eigentlichen Thema entfernen zu wollen, muss kurz an die Diskussionen um die Verschleierung in der Öffentlichkeit von vor einigen Jahren erinnert werden, die zeitweilig einen enormen Hitzegrad erreicht haben. Grundsätzlich darf sich in unserem Rechtsstaat jeder so kleiden, wie er mag. Ein Verbot gegen Burka oder Nikab ist mit der Verfassung nicht zu vereinbaren, weil es gegen das Neutralitätsgebot des Grundgesetzes verstößt. Interessant sind die Ausnahmereglungen in Frankreich, den Niederlanden oder Dänemark, wonach das Tragen einer Vollverschleierung (= Burka) grundsätzlich untersagt ist – und dieses Verbot sogar der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Juli 2014 für rechtens erklärt hat. Trotz des grundsätzlichen Rechts, sich so zu kleiden, wie man oder frau es mag, gibt es auch in Deutschland ein ganzes Panoptikum von Einschränkungen, die in den verschiedenen Rechten – darunter das Versammlungs- oder das Verkehrsrecht – näher beschrieben werden. Während einer öffentlichen Versammlung oder anderer Veranstaltungen unter freiem Himmel ist es laut Versammlungsgesetz beispielsweise verboten, sich so zu kleiden, dass die Identität nicht festgestellt werden kann. Wer sich in einem Fußballstadium vorsätzlich vermummt, begeht sogar eine Straftat.
Die Klärung der Frage, ob das Tragen einer Burka unter Vorsatz geschieht, soll hier nicht erörtert werden. Klar ist hingegen die Meinung in Deutschland, was das Tragen einer Burka angeht. Die Online-Umfrage-Plattform Yougov stellte 2019 fest, dass die Deutschen sich mehrheitlich für ein Verbot der Burka in der Öffentlichkeit aussprachen. Der unanimen Ablehnung der Unkenntlichmachung einer Person (Frau!) im öffentlichen Raum steht gegenwärtig die nahezu einhellige Befürwortung des Tragens von Hygienemasken entgegen, die eine Person nicht minder entstellen, vermummen und unkenntlich machen wie es sonst eine Burka oder ein Nikab vermag. Ohne es beweisen zu können (oder auch nur zu wollen), darf behauptet werden, dass die gleiche Mehrheit derjenigen, die sich zuvor ablehnend

gegenüber Burkaträgerinnen äußerten, nun in einer scheinargumentativen Volte die eigene öffentliche Verschleierung rationalisieren und damit gesellschaftsfähig machen. In der Gegenüberstellung der Fotomontage sollte deutlich werden, wie wenig sich die religiös motivierte Vermummung rein optisch von der hygienischen unterscheidet. Dass beiden Ausprägungen eine jeweils andere Form von Zweckrationalität zugrunde liegt, ist sogar zweitrangig für die Betrachtung. Denn so wenig die Mehrheit der Deutschen die Unterdrückung islamischer Frauen durch das Tragen einer Burka in ihrer kundgetanen Ablehnung beschäftigt haben mag als vielmehr die rein optische Zumutung beim Anblick in heimischen Fußgängerzonen, so sehr werden die empfundenen Zumutungen nun wegrationalisiert mit der Begründung, dass soziale Distanz plus Einschränkung der Versammlungsfreiheit plus Gesichtsmaske einen optimalen Schutz gegen das Corona-Virus biete. Doch es steht zu befürchten, dass der aufoktroierte Hygiene-Mummenschanz bei eingehender Betrachtung vermutlich eher Mumpitz als massentauglich sein könnte.
In der 2019 publizierten Studie der Weltgesundheitsorganisation WHO „Non-pharmaceutical public health measures for mitigating the risk and impact of epidemic and pandemic influenza“ wird untersucht, wie sinnvoll nicht-medikamentöse Maßnahmen zur Reduzierung der Risiken und Auswirkungen bei Grippe-Epidemien und -Pandemien sind. Sprich alle Maßnahmen, die auch aktuell im Einsatz bei der Corona-Pandemie sind – solange kein Medikament oder Impfstoff vorliegt. Lassen wir einmal Schutzmaßnahmen wie die Soziale Distanzierung oder Händewaschen beiseite und betrachten wir nur die Maskenpflicht. In der genannten Studie wird auf Seite 26 das Ergebnis von zehn randomisierten kontrollierten Studien (RCT) zusammengefasst, um die Effektivität des Tragens von Gesichtsmasken zu untersuchen. Das zusammengefasste Ergebnis im Originalwortlaut:
„Ten RCTs were included in the meta-analysis, and there was no evidence that face masks are effective in reducing transmission of laboratory-confirmed influenza.“
Im Abschnitt „Empfehlungen“ heißt es weiter:
„Although there is no evidence that this is effective in reducing transmission, there is mechanistic plausibility for the potential effectiveness of this measure.“
Mechanistic plausibility bedeutet, dass es möglicherweise zu positiven Effekten durch das Tragen von Gesichtsmasken kommen kann, ohne dass aus der zugrundeliegenden Studie jedoch für diese Behauptung eindeutige Belege abgeleitet werden können. Es gibt beispielsweise auch Studien, die belegen wollen, dass mit COVID-19 infizierte Menschen beim Husten oder Niesen durch die Maske hindurch das Virus verbreiten können. Laut der gerade genannten Studie zeigten die Experimente, „dass weder Baumwollmasken noch chirurgische Masken die Viren von hustenden Patienten sicher aufhalten können.“ Womit wir zum Ausgangspunkt dieser Überlegung zurückkehren wollen: Warum werden Grundrechte eingeschränkt oder außer Kraft gesetzt wie nie zuvor in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, wenn eindeutige Studienbelege fehlen, welche die Außerkraftsetzung dieser Rechte rechtfertigen?
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